Oktober 2022
"Gasjäckchen" aus dem Zweiten Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg wurde auch Geislingen von alliierten Luftangriffen bedroht. Zwar erfolgte glücklicherweise kein großangelegter Angriff auf die Stadt, dennoch suchte die Bevölkerung Schutz in privaten Luftschutzkellern oder Luftschutzstollen, die in die umliegenden Berghänge getrieben wurden. Schützte das Gestein oder behelfsmäßige Ausbauten von Kellern notdürftig vor Spreng- und Brandbomben, so bestand die Gefahr eines möglichen gegnerischen Angriffs mit Giftgas oder anderen Kampfstoffen die über die Luft verteilt wurden. Deshalb gehörte eine Gasmaske zur Grundausstattung eines Luftschutzkellers. Im Ernstfall kam diese auch bei Rauch- oder Leuchtgasentwicklung oder im Staub eines Luftangriffes zum Einsatz.vielbefahrenen Geislinger Hauptstraße durch das Anbringen einer neuen Leuchtschrift über dem Eingang an.
Verstörend wirkt der verzweifelte Versuch auch die Kleinsten vor diesen Gefahren in den Luftschutzräumen zu schützen. Vor dem Hintergrund der sich rasch ändernden Größe des Kopfes von Kleinkindern als auch durch deren fehlende Toleranz zum Tragen einer beklemmenden Gasmaske war eine spezielle Jacke entwickelt worden. In ihr sollte ähnlich einem heutigen Weltraumanzug ein eigenes Klima und vor allem eine eigene Atemluft vorherrschen. Hierzu trug das Kind die Jacke über dem Oberkörper. Sie wurde im Bauchbereich und an den Ärmeln möglichst luftdicht zugebunden. Anschließend wurde das Kind durch ein Elternteil das den zugehörigen Blasebalg mit Filtervorrichtung bediente mit Atemluft versorgt. Die verbrauchte Luft entwich über das obenliegende Ventil. Die Verständigung mit dem Kind erfolgte über ein Kunststofffenster. Die Angst und Beklemmung der Kinder in der Jacke, im unbehaglichen Umfeld eines Luftschutzkellers zwischen angsterfüllten Erwachsenen, eventuell erschüttert durch umliegende Bombeneinschläge kann allenfalls erahnt werden.
Als Variante dieser Schutzvorrichtung waren auch „Gasbettchen“ erhältlich. Sie sollten Babys in luftdicht verschlossenen Kinderbettchen, ebenso ausgestattet mit Blasebalg, Filter und Sichtfenster vor giftigen Gasen bewahren. Sowohl von den Gasjäckchen als auch von den Gasbettchen bestellte die Stadt Geislingen in den Kriegsjahren mindestens 50 Stück, die auf verschiedene öffentliche Luftschutzräume verteilt wurden.
Das gezeigte Gasjäckchen blieb vermutlich auch nach Auflösung des Luftschutzraumes am Kriegsende vor Ort und ging in Privatbesitz über, bevor es erst im 21. Jahrhundert als Schenkung ins Museum im Alten Bau kam. Hier dient es als Zeugnis erschütternder Jahre, die nicht selten auch die Kinder der damaligen Zeit für ihr Leben prägten.
Gasjäckchen
Gelöscht: Textil/Kunststoff
o.O., 1941