April 2022

„Prospect des Staedchens Geislingen von Morgen“ von Jakob Früholz

Der Maler und Zeichner Jakob Früholz (1769–1846) entstammte einer alten Geislinger Beindreher-Familie. Seine Kindheit verbrachte er im heute so genannten „Früholz’schen Haus“ (Schillerstraße 19). Um nach dem frühen Tod seines Vaters, dem Kunstdrechsler und Beindreher Simon Früholz, seine Mutter und seine Geschwister zu versorgen, arbeitete der 17-jährige Jakob in der Werkstatt seines Vaters weiter und zog 1787 nach Niederösterreich, wo er sich in einem Karthäuserkloster als Drechslergehilfe verdingte. Die dortigen Mönche erkannten seine musikalische und malerische Begabung und förderten sie, weshalb er zurück in der Heimat einen Posten als Stadtmusikanten erhielt. Auch seine Zeichnungen, Miniaturen in Elfenbein und Pastellzeichnungen erfreuten sich großer Beliebtheit und fanden großen Absatz.

Am bekanntesten ist Früholz für seine Stadtansichten Geislingens und Darstellungen verschiedener Straßenzüge und Häuser. Sie sind ein wertvolles zeitgeschichtliches Zeugnis über das vorindustrielle Erscheinungsbild der Stadt. So zeugen diese Werke von Früholz etwa auch vom schlechten Erhaltungszustand der Stadtmauern und ihrer Türme am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts hin. Eine Instandhaltung wurde damals als zu kostspielig und zweitens nicht mehr zeitgemäß erachtet, da die Befestigung der Abwehr damaliger Artillerieangriffe ohnehin nicht mehr gewachsen war. Und so kann man auf den etwa 17 noch überlieferten Stadtansichten von Früholz das Voranschreiten der Geislinger Entfestigung beobachten, noch bevor die Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts diese Entwicklung beschleunigte und die Stadt über ihre mittelalterlichen Grenzen hinauswuchs.

Die frühesten beiden Stadtansichten von Früholz stammen aus dem Jahr 1801. Von beiden ist allerdings nur noch eine erhalten. Die wohl bekanntesten Werke stammen aus dem Jahr 1808, darunter unser Objekt des Monats „Prospect des Staedchens Geislingen von Morgen, mit verbundener Aussicht ins Filsthal, aufgenommen am Odenthurm Berge“. Sein Pendant ist eine Abendansicht Geislingens „aufgenommen am Türkheimer Berg“, das ebenfalls im Museum im Alten Bau zu sehen. Die Darstellung des sich auf der Weide ausruhenden Kuhhirten, der seine Herde um die Stadt weidet, darf als Beleg für die sehr landschaftliche unmittelbare Umgebung der Stadt gelten, greift zugleich aber auch beliebte Motive aus der Zeit des Rokokos auf, in der pastorale, idyllisch anmutende ländliche Szenen sehr en vogue waren. Beide Aquarelle wurden 1962 restauriert und werden nebeneinander im Museum im Alten Bau gezeigt.

Aquarell „Prospect des Staedchens Geislingen von Morgen, mit verbundener Aussicht ins Filsthal, aufgenommen am Odenthurm Berge“

Künstler: Jakob Früholz (1769–1846)

Herstellungsort/-jahr: Geislingen an der Steige, 1808
Inv.-Nr.: D1/130