November 2022

Eines fernen Tages…..Das jüngste Gericht

(Kopie nach unbekanntem Maler)
Der Tag des Jüngsten Gerichts – ein dramatisches Geschehen. Seine Darstellung – eine dramatische, monumentale Komposition! Wir dürfen uns vorstellen, wie diese realiter eine ganze Kirchendecke großformatig füllen würde, so wie in vielen barocken Kirchen Deckengemälde gestaltet sind. Die vorliegende Miniaturform aus der Sammlung des Museums gibt einen Abglanz dergleichen, ist geeignet, den Betrachter in diese Sphäre zu entrücken.

Figuren in starker Bewegtheit füllen das querformatige Bildfeld der Tafel von der Größe eines Tabletts, und wäre der Rand nicht so breit, würden sie das Format geradezu sprengen. Bewegung prägt auch die Komposition: gruppiert zu dichten Massen „strömen“ Menschen durch wogende Wolkenmassen – schwerelos beinahe, aber doch so stabil, dass sie nicht wirklich schweben oder fliegen (der Gestalter hat dem Himmel imaginär die dazu nötige Stabilität gegeben). Erst langsam ordnet man sich als Betrachter die Fülle, stellt die Symmetrie des Bildaufbaus fest und wie diese den Blick in die obere Mitte fokussiert – zum Zentrum, in dem, nicht einmal besonders deutlich, der vom Himmel herunter gestikulierende Christus auszumachen ist. Von seiner Gestalt mit ihren ausladenden Gesten gehen verschiedene Sichtachsen aus, die uns in die unterschiedlichen Zonen des Geschehens führen: links strömen Menschen aufwärts – die gute Seite, die Seite der Erlösten. Rechts die, an welchen die Wesen der Hölle zerren, um sie ins Fegefeuer zu zwingen. Immer wieder sind einzelne Figuren hervorgehoben.

Die Tafel steht in der Tradition der Hausaltäre, die seit dem Mittelalter in Wohnstätten anzutreffen waren –zur spirituellen Vertiefung der Bewohner. In einem Geislinger Haushalt des Barock, oder dem Spital, hat das Bild an die Endlichkeit der irdischen Existenz gemahnt und eine fantastische Vision der Aufhebung dieser Welt gegeben, die einen starken moralischen Aufruf an gottgefälligen gerechten Lebenswandel in sich trägt.

Das Spital gehört als feste Institution in das Gefüge einer mittelalterlichen Stadt; es war auch in Geislingen (dort befand es sich in der Karlstraße neben der heutigen Musikschule) Waisenhaus, Altersheim und Krankenhaus in einem. Nicht nur Arme suchten dort Ihr Heil, sondern auch begüterte Bürger, die durch Stiftungen, Erbschaften und Spenden das Auskommen des Spitals sicherten. Das Bild aus dem Stadtmuseum ist in diesem Kontext zu sehen.