Objekt des Monats
Juli 2021
Schädel eines Wollnashorn
Die Gemeinde Aufhausen (1975 zu Geislingen eingemeindet) rückte 1964 in den Fokus der Öffentlichkeit, als etwa einen Kilometer südlich des Orts im Zuge von Straßenbauten plötzlich eine Planierraupe einbrach und sich in der Kalkplatte ein sieben Meter tiefes Loch auftat. Bei genauerer Untersuchung der verantwortlichen Landesstellen sowie des hinzugezogenen Geislinger Oberstudiendirektors, Museumsleiters und Laien-Archäologen Albert Kley (1907–2001) stellte sich die offengelegte Höhle als Fundort wissenschaftlich wertvoller Fossilieneinschlüsse und Knochenreste aus der Mittleren Würmeiszeit heraus (ca. 40.000 bis 60.000 Jahre alt).
Die Schwäbische Alb, ein jurazeitliches Mittelgebirge, ist geprägt von ihren zahlreichen Höhlen. Durch Regen löst sich allmählich das Kalkgestein aus dem die Alb größtenteils besteht und bildete über Millionen von Jahren Spalten, die sich zu ganzen Höhlensystemen ausweiteten. Die Aufhausener Höhle ist damit ein Beispiel für die Verkarstung, also für die „Versteinerung“, der Schwäbischen Alb. In der Aufhausener Höhle lagen Knochen zahlreicher Tiere, die zur Würmeiszeit auf der Albhochfläche lebten: Wolf, Schneehase, Rotfuchs, Braunbär, Höhlenlöwe und Höhlenhyäne, sowie Rentier, Wildpferd, Steppenbison, Mammut und Wollnashorn. Der Fund der Aufhausener Höhle wurde zur Sensation, denn noch nie hatte man in Europa so viele Tiere aus der Eiszeit an einem Ort gefunden. Der lehmige Schuttkegel, in dem die Knochen innerhalb der Höhle eingeschlossen waren, hatte sie außerdem über die Jahrtausende gut vor der Witterung geschützt. Da es sich vorwiegend um junge und unerfahrene Tiere handelte, vermutete der Bergungsleiter Albert Kley, dass es sich um eine Tierfalle handeln könnte.
Zwischen 1964 und 1967 arbeiteten zahlreiche Freiwillige aus der Region, darunter auch Kinder, unter der Leitung von Albert Kley unentgeltlich an den Wochenenden an der Bergung der Knochen. Bis zu 11 Meter tief grub sich das Team durch die Höhle und legte u.a. einen Mammutbabykopf mit Milchzähnen und auch den hier abgebildeten Wollnashornschädel frei. Kley, der vor dem Zweiten Weltkrieg in Tübingen Vorgeschichte studiert hatte bevor er sich für das Lehramt entschied, hatte sich im Raum Geislingen und auf der Ulmer Alb bei Begehungen und Bergungen einen Namen gemacht. Er verzeichnete akkurat die Fundorte und präparierte sie. Einige der von ihm erschlossenen Funde, wie etwa der Schädel dieses Wollnashorns, gingen in die Sammlungen des Museums im Alten Bau über. Das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) mit seinen zwei Hörnern war in der Eiszeit in Westeuropa weit verbreitet und prägte aufgrund seiner Größe zusammen mit dem Mammut das Bild der dortigen grasbewachsenen Steppen. Wollnashörner starben vor rund 12.000 Jahren aus.
Schädel eines Wollnashorns
Datierung: Mittlere Würmeiszeit, ca. 40.000 bis 60.000 Jahre v. Chr.
Fundort: Aufhausener Höhle, 1964
Museum im Alten Bau