Oktober 2023
Täuschend echt
Die WMF ist unter Kunsthistorikern, Archäologen und Museumsfachleuten nicht nur für ihre Kaffeemaschinen und Kochtöpfe bekannt, sondern vor allem für die Erzeugnisse der am Ende des 19. Jahrhunderts in Geislingen eingerichteten „Galvanoplastischen Kunstanstalt“.
Unter der Führung des ersten Direktors der 1880 gegründeten „Württembergischen Metallwarenfabrik“-AG Carl Hägele (1847–1926) war dieses neue Produktionsverfahren in Geislingen eingeführt worden. Bei der galvanischen Veredelung von Gegenständen wird dank einer elektrisch leitfähigen Graphitschicht nichtleitendes Material wie Holz oder Gips galvanisch verkupfert. Kurz nach Erfindung dieses Verfahrens wurde es im Bereich des Kunstgewerbes eingesetzt. Besonders die WMF machte sich bei der galvanischen Produktion und deren Vertrieb einen Namen und stellte zunächst kleineren Zimmerschmuck her, um dann ab dem 20. Jahrhundert größere Galvanoplastiken herzustellen, etwa Grabfiguren, Kircheninventar bis hin zu Denkmälern im öffentlichen Raum – etwa das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. vor der Geislinger Stadtkirche. Die WMF spezialisierte sich außerdem im frühen 20. Jahrhundert auf die Herstellung originalgetreuer Kopien archäologischer Metallfunde für Museen und universitäre Lehrsammlungen.
So wird etwa in den Beständen des Museums im Alten Bau eine von der WMF angefertigte Kopie eines römischen Helms aus dem 2. Jahrhundert nach Christus aufbewahrt. Das Original dieses dreiteiligen römischen Gesichtshelms, bekannt als „Helm von Wildberg“, wurde 1868 im Schwarzwald bei der Einmündung des Schwarzenbachs in die Nagold im Zuge des Eisenbahnbaus gefunden. Es wird heute in der archäologischen Sammlung des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart verwahrt. Vermutlich handelt es sich hierbei um einen Offiziershelm.
Der dreiteilige Helm setzt sich aus einer Hinterhauptkalotte, einer Gesichtsmaske und einem vollständig abnehmbarem Visier zusammen. Letzteres ist an einem Stift an der Stirn befestigt. Auf Stirnhöhe thront ein Adler, das Begleittier des römischen Göttervaters Jupiter. Seine ausgebreiteten Schwingen sollen Macht und Stärke ausdrücken. Das Gesicht ist außerdem eingerahmt von schlangenartig geschwungenen Bändern, die an die furchterregende Schlangenhaarpracht der Gorgone Medusa erinnert, die ihre Gegner versteinern konnte. Adler und Schlangen dienten vermutlich der Abschreckung des Gegners.
Diese galvanoplastische Kopie des „Helms von Wildberg“ wird im Museum im Alten Bau im ersten Obergeschoss ausgestellt.
Galvanoplastische Kopie des „Helms von Wildberg“
Galvanoplastische Kunstanstalt der WMF
Geislingen, erstes Drittel 20. Jh.
Museum im Alten Bau