Juli 2025
Vor einhundert Jahren auf dem Kinderfest
Das Geislinger Kinderfest gilt nach wie vor als das gemeinschaftsbildende Fest der Fünftälerstadt – wenn es auch in den beiden großen Stadtbezirken der Oberen Stadt und Altenstadt getrennt gefeiert wird. Traditionell gehörte dabei schon 1927 der Umzug durch die Stadt dazu, der auch in diesem Jahr fotografisch festgehalten wurde.
Das Geislinger Kinderfest hat seinen Ursprung schon im Mittelalter und es gibt Verbindungen, die auch auf die Weihe der Stadtkirche im Jahr 1428 zurückgehen. In historischen Quellen ist der „jährliche Tanz der Schulkinder“ erst 1679 fassbar, wird jedoch schon hier als eine alte Tradition beschrieben. Im Lauf der Jahrhunderte bürgerte sich der „Montag nach Jakobi“ als fester Termin im Jahresablauf ein. Aus Zeiten eines religiösen Schwerpunktes stammt dabei der noch heute feste Bestandteil der „Stäffelespredigt“ – in jüngerer Zeit gehalten durch den Geislinger Oberbürgermeister. Der schulfreie Montagnachmittag mit Feier, Spiel und Tanz wird ebenso seit der frühen Neuzeit in der Steingrube, dem heutigen Stadtpark abgehalten. Sein Gegenstück bildet die Feier rund um den Biergarten in Altenstadt. Andere Veranstaltungen wie der Geislinger Hock oder der Tag der Jugend mit beliebtem Flohmarkt sind Ergänzungen, die überwiegend seit dem 20. Jahrhundert das Geislinger Stadtfest ausdehnen und besser vermarkten sollen.
Zentral im Ablauf des Kinderfestes ist mindestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert der Umzug der Schulklassen und Kinder durch die Stadt am Montagvormittag. Er bildet mit der Route durch die Obere Stadt, vorbei an der WMF bis zum Sternplatz noch heute ein wichtiges Bindeglied zwischen Geislingen und Altenstadt, wo der Kinderfestmontag sonst strikt getrennt gefeiert wird. Die Kinder, die unter einem bestimmten Motto unter Musik und begleitet von den Stadtoberen, Vereinen und Verbänden durch die Straßen ziehen, waren dabei von jeher ein beliebtes Motiv von Fotografen. Haben sich auch frühe Bilder aus der Wende zum 20. Jahrhundert erhalten, so beherbergt die Museumssammlung eine Zusammenstellung von Fotos des Umzuges aus dem Jahr 1927.
Insgesamt 30 Fotografien zeigen Schulklassen und Jugendgruppen aus verschiedenen Altersstufen, aufgenommen auf ihrem Weg vorbei am Neuen Rathaus und der Alten Gewerbeschule – der heutigen Musikschule. Beim Fotografen handelte es sich um Friedrich Gauger. Im Gegensatz zu zahlreichen Amateurfotografen fertigte er die Aufnahmen professionell und für sein Fotogeschäft, in dem er auch Postkarten vertrieb. Die mit einer gedruckten Beschriftung versehene Zusammenstellung mag so als Werbung für die Aufnahmen des Kinderfestes gedient haben, die bei ihm erworben werden konnten. Sie dienten als Erinnerung an glückliche Kindertage im Jahr 1927, einer Phase des relativen Wohlstandes zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise, die um 1930 auch Geislingen schwer treffen sollte. Knapp 12 Jahre später fanden sich viele Kinder und Jugendliche des Kinderfestzuges als Soldaten des nächsten Weltkrieges wieder aus dem etliche nicht mehr zurückkehrten.
