Februar 2023
Im Fasching nach Grossrohrachhausen
Mit dem Begriff Museum verbindet man heute in Geislingen meist das Museum im Alten Bau. Als dieses Museum 1919 vom Altertumsverein gegründet wurde bestand jedoch bereits seit 40 Jahren die Museumsgesellschaft Geislingen – von den Mitgliedern kurz „Museum Geislingen“ genannt.
Der Schwerpunkt der Gesellschaft die von 1879 bis 1933 bestand war die literarische Bildung ihrer Mitglieder, weshalb das Zentrum des Vereins kein Ausstellungsraum, sondern das Lesezimmer mit Bibliothek bildete. Dieser Raum, der sich zunächst in der „Glocke“ und ab 1915 im Bahnhofshotel befand, diente zum Austausch über Zeitschriften und Literatur.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf geselliger Unterhaltung. Wie in vielen anderen Vereinen war das Miteinander auch von Ausflügen, Kegel- und Tanzabenden sowie diversen Bällen und Festen geprägt. Selbstverständlich gehörten hierzu auch jährliche Faschingsbälle. Die Museumsgesellschaft stand in einer Reihe mit diversen Vereinen und Verbänden, die dabei um einen Platz im geräumigen Saal des Hotel Sonne konkurrierten. In den Faschingswochen fand dort fast jeden Tag ein Ball zu einem fantasievollen Thema statt.
Das Objekt des Monats Februar ist eines der wenigen Dokumente, die Details zum Faschingsball des Jahres 1912 wiedergeben. Das mehrseitige Programmheft zur „Internationalen Hygieneausstellung in Grossrohrachhausen“ zeigt dabei, wie neueste Errungenschaften der Epoche, sei es aus Wissenschaft, Technik oder Gesellschaft vom „Museum“ aufs Korn genommen wurden. „Städtewesen – unbeschreiblich! Nahrungsmittel – ungenießbar! Historische Abteilung – unverständlich! Statistik – unbegreiflich! Kleidung – unvernünftig!“: Der „Führer durch die Ausstellung“ zeigt die Absurdität der Ausstellung, die sich der um 1912 nicht selten als übertrieben angesehenen Hygienemaßnahmen verschrieben hatte. Aus desinfizierten Instrumenten der Musiker seien nur „reine“ Töne zu erwarten und statt Wein gebe es nur „Alkoholische Lösung von Weinsäure“. Den Höhepunkt der Ausstellung sollte das „hydromechanisch-elektrotechnische Seefisch-Transportverfahren“ bilden, das Meerwasser und den darin enthaltenen Frischfisch gleich bis nach Geislingen saugen sollte – ein Seitenhieb sowohl auf dir turbulenten Jahre des technischen Fortschritts vor dem Ersten Weltkrieg und wohl auch auf die Einrichtung der Seefisch-Verkaufshalle der WMF. In amüsanten Annoncen im Anzeigenteil kamen über Partnerschaftsanzeigen, Suchen nach im Alkoholrausch verlorene Hausschlüssel und dem Verkauf von „Kalauern“ auch verschlüsselt genannte Vereinsmitglieder wie der „Brikettkarl“ oder „Dr. Tal“ nicht zu kurz.
Über Umwege gelangte das Programmheft des „Museums“ im Laufe des 20. Jahrhunderts ins Museum. Hier zeugt es nicht nur von einem Verein, der um 1900 die Geislinger Gesellschaft mitprägte. Vielmehr erinnert das Objekt an das bunte, fantasievolle und auch aufwendige Faschingsleben der damaligen Zeit.