August 2023

Die Trommel aus den fernen Kolonien

In vielen lokalgeschichtlichen Museen findet man sie: Objekte, die aufgrund ihrer Herkunft aus ehemaligen deutschen Kolonien häufig ein nicht unbelastetes Erbe mit sich bringen. Auch im Alten Bau finden sich Zeugnisse aus der Kolonialzeit, die vom Sprachforscher Rudolf Betz aus Kamerun mitgebracht wurden. Zwar wurden manche davon eigens für Betz angefertigt, doch sind bei anderen die genaue Herkunft und die Umstände der Aneignung durch den württembergischen Lehrer noch ungeklärt.

Rudolf Betz wurde 1867 in Esslingen geboren und wuchs nach dem frühen Tod seiner Eltern in einem Stuttgarter Waisenhaus auf. Nach dem Besuch des Lehrerseminars in Esslingen übernahm er 1891 eine Lehrerstelle an einer Schule in der damaligen deutschen Kolonie Kamerun. Neben dem Unterricht beschäftigte sich der junge Lehrer eingehend mit der Sprache der dort lebenden Duala. Insbesondere von der Trommelsprache, mit der das Volk, dem europäischen Morsesystem ähnlich, auch bei Dunkelheit und schlechter Sicht Nachrichten über weite Distanzen übermitteln konnte, war Betz angetan. Als erstem Europäer gelang ihm dabei die Entschlüsselung dieser akustischen Nachrichtenübermittlung und er lernte darüber hinaus auch selbst mit der Trommel zu kommunizieren.

Es verwundert daher nicht, dass neben Wurfspeeren, einem Stechruder, einem Tanzschild und weiteren Dingen, die Betz aus Afrika mit zurück nach Stuttgart brachte, auch eine sogenannte „Sprechtrommel“ gehört. Sie wurde eigenes von jenen Duala angefertigt, die den Lehrer aus dem fernen Europa in der Trommelsprache unterrichteten. Die Basis bilden dabei zwei unterschiedliche Töne, die sich durch die variierende Dicke der aus einem Stück Rotholz gefertigten Trommel ergeben.

Zurück in der Heimat versuchte Rudolf Betz seine Forschungsarbeit über die Trommelsprache, die er 1898 publiziert hatte, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Als er damit scheiterte nahm er sich mit nur 31 Jahren und gesundheitlich von seinen Jahren in Afrika schwer gezeichnet das Leben. Sein Bruder Karl, Graveur bei der WMF, brachte die Trommel und weitere Objekt nach Geislingen und übergab sie dem Heimatmuseum. Blieben die Entdeckungen und das wissenschaftliche Werk von Rudolf Betz in den Folgejahren weitgehend unbeachtet, schaffte es erst Georg Burkhardt wieder auf Betz und die Entzifferung der Trommelsprache aufmerksam zu machen.

Die Trommel steht als Objekt des Monats so nicht nur für die komplexe Problematik im Umgang mit Exponaten aus ehemaligen Kolonien, sondern auch für eine einzigartige Biografie eines lange vergessenen Forschers.

Sprechtrommel

Hersteller: unbekannt

Datierung: um 1895

Material: Holz