April 2024

Die Geislinger Steige ohne Baustelle

Das Motiv des Objekts des Monats April ist im Jahr 2024 in aller Munde. Die Geislinger Steige ist erneut zur – für viele lästigen – Baustelle geworden und ändert ein weiteres Mal ihr Gesicht. Der Aus- und Umbau des Albaufstieges im Rohrachtal erfolgte in verschiedenen Etappen, was unter anderem ein Aquarell des Malers Jakob Früholz eindrucksvoll dokumentiert.

Der Zeichner und Maler Jakob Früholz (1769–1846) dokumentierte wie kaum ein anderer seine Heimatstadt und ihr Umfeld. Nicht zuletzt deshalb wurde bereits im April 2022 eine seiner Stadtansichten als Objekt des Monats gewürdigt und auch der Lebenslauf des Künstlers eingehend dargestellt. Sind vor allem seine Stadtansichten bekannt, so handelt es sich beim Werk aus dem Jahr 1818 um ein weniger populäres Stück, das aber viel über die Zustände im oberen Rohrachtal im frühen 19. Jahrhundert verrät. Im Zentrum steht, wie bei vielen anderen Bildern von Früholz ein Gebäude – in diesem Fall die Schimmelmühle. Zur Zeit der Entstehung des Werkes lebte hier der Schimmelmüller Kaspar Straub mit seiner Familie, darunter der dreijährige Sohn Daniel, der später als Unternehmer den Grundstein für die Entwicklung der MAG und der WMF legen sollte.

Wendet man sich in der Zeichnung der linken Bildhälfte zu, so erkennt man einen der vielen Straßenverläufe in der Geschichte der Geislinger Steige(n). Nicht ganz im Talgrund, doch auch nur leicht erhoben windet sich der Weg Richtung Amstetten, der damalige eigentliche Aufstieg – ein kurzer sehr steiler Hohlweg ist hinter Bäumen nur zu erahnen. Gesichert ist der ungepflasterte Weg durch die, auch in der Bildbeschreibung erwähnten „Schranken“, als Vorform moderner Leitplanken. Scheint die Straße auf diese Weise abgesichert zu sein, so deuten regelrechte Pyramiden an Steinen und Geröll die Problematik des allgemeinen Straßenerhalts an. Ergaben sich durch die Befahrung mit schweren Wagen insbesondere bei schlechtem Wetter bis zu knietiefe Löcher und Spurrillen, so sorgten Gesteinsabbrüche vom Albtrauf für steinerne Hindernisse die von oben kamen.

Eine Abhilfe sollten die verschiedenen Ausbauten der Steige schaffen. In einem ersten, 1824 abgeschlossenen Projekt wurde die Steige höher am Hang entlanggeführt, sodass in etwa die noch heute vorhandene Trassenführung entstand. Die alte Wegführung aus dem Bild von Frühholz verlor dadurch ihre Bedeutung – sehr zum Leidwesen des Schimmelmüllers, der seinen Zusatzverdienst durch den Verleih seiner Pferde für schwere oder an der Steige hängen gebliebene Fahrzeuge in Gefahr sah. Ab 1847 erfuhr im Zuge des Baus der Eisenbahnsteige auch die Straßenführung Veränderungen. Es folgten spätere Ausbauten und Sicherungen die dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen dienten und auch die Asphaltierung beinhalteten.

Die Geislinger Steige wandelte so immer wieder ihr Aussehen, das immer wieder bildlich festgehalten wurde – wie im detailverliebten Bild von Jakob Früholz.

 

Aquarell der Schimmelmühle von Jakob Früholz

Datierung: 1818

Herstellungsort: Geislingen