September 2024
In Erinnerung an eine Geislinger Glocke
Sie gehören zu jedem Gotteshaus dazu: Glocken die das Leben der Gläubigen von der Taufe bis zum Trauergottesdienst begleiten und über Jahrhunderte zum Gebet rufen. Im 20. Jahrhundert brachten die beiden Weltkriege große Einschnitte mit sich. Um den nicht endenden Durst der Rüstungsindustrie nach Rohstoffen zu stillen opferte man auch in Geislingen sogar die Kirchenglocken.
Die Abnahme eines großen Teils der Glocken aus den Kirchtürmen, deren Transport und Ablieferung an bestimmten Sammelorten und später auch deren Einschmelzung erfolgte dabei unter der Befolgung der gesetzlichen Regelungen, die zwischen 1914 und 1918 sowie 1939 und 1945 galten. Eigene Bewertungskommissionen, bestehend aus Regierungsbeamten, Spezialisten der Industrie, aber auch Kunstsachverständigen besichtigten Glockenstühle und legten eine Reihenfolge fest, nach der eine Ablieferung der Glocken erfolgen sollte.
Schon im Ersten Weltkrieg kam es auch im Turm der Geislinger Stadtkirche zur Abnahme von einigen Glocken aus dem vormals aus bis zu sieben Exemplaren bestehenden Geläuts. Der Zweite Weltkrieg brachte auch die Ablieferung von allen anderen Glocken, bis auf die sogenannte Taufglocke mit sich. Die auf Cis gestimmte Glocke erfüllte so das vorgeschriebene Mindestmaß von einer Glocke, die auf jedem Kirchturm noch zum Läuten verfügbar sein musste.
Das Schicksal der anderen Glocken, die wie die Taufglocke größtenteils aus einem Glockenguss der Ulmer Werkstatt von von Stacheus Zimmermann und Mattheus Schiesser aus dem Jahr 1567 stammten, ist ungewiss. Nach ihrem Abtransport wurden sie entweder schon zu Kriegszeiten eingeschmolzen oder durch die rücksichtslosen Lagerungsbedingungen, etwa im größten Zwischenlager in Hamburg-Altona, zerstört.
Als letztes Relikt von einer Geislinger Glocke ist ein Abguss erhalten, der im Museum im Alten Bau, ebenso wie in der Jubiläumsausstellung „600 Jahre Stadtkirche“ zu sehen war. Wohl im Zuge der Abnahme wurde von der Kreuzglocke über Gipsplatten ein Abdruck erstellt. Anschließend wurde aus dem Negativ das Modell gefertigt, das vor allem die Reliefs und Inschriften der verschollenen Glocke zumindest ansatzweise dokumentiert.
Abguss der Glocke aus dem Jahr 1567
Geislingen, um 1942
Museum im Alten Bau