Oktober 2024
Teure Preise? Nicht wegen den Bauern!
Mit dem Begriff „Teuerung“ waren über Jahrhunderte fast ausschließlich Preissteigerungen im Bereich der Lebensmittel gemeint. Für sie gab jede Familie den größten Teil des Einkommens aus – je ärmer der Hausstand war, desto mehr wurde vor allem für das tägliche Brot ausgegeben. In Notzeiten, wie den Jahren 1846/47 litten sie als erstes unter teuren Lebensmittelpreisen und machten dafür auch die Produzenten verantwortlich – eine Anschuldigung der das Objekt des Monats Oktober entgegenwirken sollte.
Die Jahre 1846 und 1847 brachten in Europa die letzte große Hungersnot in der vorindustriellen Zeit mit sich. War es 30 Jahre zuvor ein Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt, der mit dem „Jahr ohne Sommer“ auch in unsere Region große Not brachte, so war es nun die Kartoffelfäule, die für den Ernteausfall bei einer der wichtigsten Feldfrüchte mit sich brachte. Erreichte die Situation auch nicht die extremen Ausmaße des Hungers wie in Irland, so schossen aufgrund des Wegfalls des Grundnahrungsmittels der Kartoffel auch hier der Preis für Getreide und andere Nahrungsmittel in die Höhe. Die verschiedenen vorindustriellen Gesellschaftsschichten machten rasch die jeweils anderen, sowie bestimmte Berufsgruppen als Urheber aus. Zu den vermeintlich Schuldigen für die hohen Preise gehörten rasch Bäcker, Getreidehändler – vor allem wenn sie jüdischen Glaubens waren – oder die Bauern. Auch die Regierungen, die durch mangelnde Vorbereitung und Hilfen es zunächst verabsäumten die Krise zu lindern, standen in einer Kritik, die nur ein Jahr später nahezu nahtlos in die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 übergingen.
Der Kritik am Bauernstand begegnete der unbekannte Autor des „Liedes der Bauern“ im Jahr 1847 mit großem dichterischem wie auch künstlerischem Aufwand. Ob der Dichter identisch ist mit dem Künstler, der den pflügenden Bauern auf dem Acker mit Pferden und zwei Saatkrähen zu Papier brachte muss offenbleiben. Das wohl später gerahmte Bild, das eine Bauernstube geschmückt haben mag, geht erst am Schluss des Textes auf die Teuerung ein und gibt zuvor ein werbewirksames Bild der Rolle der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert wieder – als verlässlicher Versorger von Stadt und Land in Friedens- wie in Kriegszeiten und als Garant für das alltägliche Leben von allen. Krise sieht er als gerechte Strafe Gottes für die Sünden in der Welt und schließt mit der Empfehlung „denn wenn uns Gott strafet so habe Geduld“. Der Schlusssatz widmet sich wieder den weltlichen Problemen der Zeit und der bezüglich Kritik wachsamen Obrigkeit, weshalb der Autor es vorzieht anonym zu bleiben:
„Ich will mich nicht nennen, und gib mich nicht z’kennen, Ich sey wer Ich will, und schweig dazu still.“
Erinnerungsbild zur Teuerung 1846/47
o.O., 1847
Museum im Alten Bau